In Zero Waste Shops werden Lebensmittel nicht mehr einzeln verpackt © JackF / Fotolia.comGesellschaft

Alles begann in San Francisco, als Bea Johnson beschloss, aus der Wegwerfgesellschaft auszusteigen. Sie kaufte nur noch frische und unverpackte Lebensmittel statt eingeschweißtem Essen, stellte Putzmittel und Kosmetika selbst her – doch vor allem schrieb sie in ihrem Blog „Zero Waste Home“ über ihr müllfreies Leben und begeisterte damit weltweit Tausende für einen nachhaltigen Lifestyle.

Was bedeutet Zero Waste?

Wortwörtlich übersetzt heißt das „null Müll“: Pro Jahr werden allein in Deutschland 16 Millionen Tonnen Müll produziert. Mit 60% Recycling gehört Deutschland neben Österreich, Dänemark und den Niederlanden zu den Vorreitern im Bereich Müllentsorgung. Doch anders als Glas, Papier und Metall lassen sich Plastik und Hausmüll nicht ohne weiteren Aufwand sauber trennen, und so landet dies (bestenfalls) in Verbrennungsanlagen und (schlimmstenfalls) im Ozean.

Zero Waste will daher das Prinzip der Wegwerfwirtschaft mit ihren Einwegverpackungen durch Kreislaufwirtschaft und die Mehrweg-Nutzung von Ressourcen ersetzen. Durch Alternativen zum herkömmlichen Konsum soll vor allem Plastikmüll vermieden werden, da dieser Jahrhunderte zur Zersetzung benötigt und die Umwelt somit am stärksten belastet.

Zusammengefasst kämpft die Zero-Waste-Initiative für drei Ziele:

  • Ressourcenschonung: Rohstoffverschwendung (von Glas, Metall, Papier, Plastik und Nahrungsmitteln) wird durch die Vermeidung von unnötigem Müll vermieden.
  • Umweltschutz: Unvermeidbarer Müll wird so gut wie möglich recycelt.
  • Gesundheit: Wer nach Zero-Waste-Prinzip lebt, vermeidet nicht nur Müll, sondern auch Weichmacher, Gentechnik, chemische Zusatzstoffe, Pflanzenschutzmittel etc.

Einkaufen, Produkte, Alltag: Wie geht Zero Waste?

Die sechs Kernfragen bzw. Essentials der Zero-Waste-Initiative sind die sechs Rs:

  • REFUSE = Geht es auch ohne dieses Produkt/diesen Abfall?
  • REDUCE = Wird das wirklich benötigt?
  • REUSE = Lässt sich das noch mal benutzen?
  • REPAIR = Wie kann man das reparieren?
  • RECYCLE = Kann man das noch mal anders benutzen?
  • ROT = Lässt sich das kompostieren?

Wie sich dies auf das tägliche Leben – etwa beim Einkaufen – auswirkt, zeigen der nächste Film und die nachfolgenden Praxisbeispiele – allerdings nur als kleine Auswahl und Einführung, denn Zero Waste ist äußerst findig, was Tricks, Tipps und Alternativen zu herkömmlichen Produkten angeht.

Essen und Trinken

Die wichtigste Frage zuerst: Kann man als Zero-Waste-Jünger überhaupt noch im normalen Supermarkt einkaufen? Die Antwort: jein. Auf verschweißte Snacks kann man leicht verzichten, doch in herkömmlichen Supermärkten sind auch Aufschnitt, Cerealien, Getränke… kurz: so gut wie alle alltagswichtigen Produkte in Plastik verpackt.

Ausgewiesene Zero-Waste-Shops oder Unverpackt-Läden dagegen verkaufen alle Produkte offen: Hier lassen sich Mehl, Milch, Joghurt und alle anderen Waren „hüllenlos“ aus hygienisch abgeschlossenen Spendern in mitgebrachte Behälter füllen.

Müllfreie Kosmetik und Hygiene

 

 

Im Badezimmer gehört Do-It-Yourself untrennbar zur Zero-Waste-Kultur: Aus Kernseife und Soda wird selbstgemachtes Waschpulver hergestellt und ultrafeine Heilerde wird mit Zimt und Wasser im Handumdrehen zur tubenfreien Zahnpasta vermischt. Auch weitere Körperpflegeartikel und Putzmittel für den Haushalt lassen sich mit wenigen Zutaten aus dem Zero-Waste-Shop einfach selbst produzieren, wie etwa das folgende Video zeigt:

Wer im Hygienebereich vollständig auf müllfrei umstellen möchte, verwendet Stoffwindeln und Menstruationstassen statt der jeweiligen Wegwerfvarianten und nutzt statt Toilettenpapier die sogenannte „Popo-Brause“ samt Waschlappen.

Kleidung nach dem Zero-Waste-Prinzip

Im Durchschnitt werden nur 20% des Kleiderschrankinhalts wirklich getragen. Das Zero-Waste-Fashion-Konzept räumt hier konsequent auf: Was getragen wird, darf bleiben. Ungetragene, vergessene oder kaputte Stücke werden entweder weitergegeben oder als sogenanntes „Re-Design“ kombiniert und umgestaltet.

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Auch „neue“ Mode sieht bei Zero Waste anders aus als die Ausbeute normaler Shoppingtouren: Hier wird entweder im Second-Hand-Laden, auf dem Flohmarkt oder bei ausgewiesenen Re-Designern eingekauft.

Home und Lifestyle: Wohnen à la Zero Waste

Zuerst gilt: Plastik muss raus. Weichmacher im Material gelangen vor allem dort in den Körper, wo Plastik mit Lebensmitteln in Kontakt kommt. Deswegen wird idealerweise als erstes der Küchenbereich mit Alternativen aus Holz, Glas und Metall ausgestattet.

Wer in allen Räumen Zero Waste leben möchte, wird bei Möbeln nicht nur auf Flohmärkten fündig, sondern nutzt diverse Materialien (Paletten, Altholz, Glas, Taue etc.) für DIY nach Maß. Auch immer mehr Möbeldesigner entdecken recycelte Rohstoffe für sich und formen diese zu individuellen Einrichtungsstücken mit viel Charakter.

 

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@aloejana hat uns heute das Bild des Tages geschickt ????. Wie sieht dein #unverpackt Einkauf daheim aus? #diy #homesweethome #mainz #bio

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Wer ein Haus neu baut, kann außerdem mit einem Grauwassersystem (Grey-Water-System) dafür sorgen, dass das Wasser aus Waschbecken und Dusche noch einmal für die nächste Toilettenspülung verwendet wird: Das spart wertvolles Trinkwasser. Ausgewiesene Bauunternehmer konzentrieren sich darüber hinaus beim gesamten Wohnkonzept auf Nachhaltigkeit.

Unterhaltung ohne Müll

Zero Waste schließt Entertainment und moderne Medien nicht aus. Der Konsum wird lediglich anders gesteuert. Statt etwa Bücher zum einmaligen Lesen zu kaufen, werden sie in der Bibliothek ausgeliehen oder als E-Book heruntergeladen – idealerweise auf einen aus zweiter Hand gekauften E-Reader bzw. ein Tablet.

Die Aufbewahrung bzw. Nutzung in digitaler Form kann auch bei anderen Medien Müll sparen:

  • digital gespeicherte Fotos und Unterlagen sparen Papier
  • online gekaufte Musik-Downloads reduzieren Plastikmüll (CDs, Verpackung)
  • Streaming von Filmen vermeidet Plastikmüll (DVDs, Verpackung)

Einer allein bewegt doch nichts! Zero Waste in der Kritik.

Einer ändert nichts, doch „viele Tropfen sind ein Ozean“, wie schon William Butler Yeats sagte. Der irische Dichter wusste um die Jahrhundertwende natürlich noch nichts von Zero Waste, doch sein Ausspruch passt auch hier. Die Zero-Waste-Initiative kann sich längst als „Bewegung“ bezeichnen. Durch das gemeinsame Engagement entstehen Supermärkte und Stammtische, die immer mehr Menschen Information und Nachahmung möglich machen.

Das erste „Argument“ gegen Zero Waste ist demnach nicht haltbar. Wie sieht es mit den anderen Vorurteilen aus, die am häufigsten gegen den Zero-Waste-Lifestyle vorgebracht werden?

  • Bio ist viel zu teurer! – Nein, denn im Gegensatz zu herkömmlicher Ware zahlt man bei Zero Waste nur das, was man braucht: Kosten für Verpackung, Verpackungsdesign, überflüssige Transportkosten sowie für Reste, die aufgrund vorgegebener Verpackungsgrößen verderben, fallen weg.
  • Wer „entplastikt“ und seinen Besitz reduziert, verursacht Müll! – Nein, denn die Umstellung muss nicht über den Müllsack erfolgen: Nicht länger benötigte Gegenstände finden vielmehr über Flohmärkte oder andere Second-Hand-Wege dankbare Besitzer.
  • Da darf man ja nichts mehr! – Nein, denn Zero Waste ist eine Liebeserklärung an das Leben und unseren Planeten. Seine Anhänger sind also keine Asketen: Wer den Blick für Müll schärft, der bekommt vielmehr einen Blick für Alternativen.
  • Wegwerfen ist gut für die Wirtschaft! – Nein, denn Kaufen ist gut für die Wirtschaft. Wer seinen Besitz reduziert und weniger für Müll ausgibt, hat mehr Geld für Erlebnisse. Auf Dauer würde dies die Wirtschaft verändern. Doch so verschwenderisch, wie die Industrienationen mit Umwelt, Ressourcen und Anschaffungen umgehen, wird sich ohnehin etwas ändern: Denn der Planet, auf dem Zero-Waster und Wegwerfer leben, lässt sich weder recyceln, noch neu kaufen.
  • Viel zu kompliziert! – Nein. Doch wer Zero Waste betreibt, muss nachdenken. Und vor der Freude, dass die eigene Jahresration Müll in ein Einmachglas passt, kommt erst einmal die Ernüchterung: Schließlich produziert der durchschnittliche Deutsche über 450 Kilo Haushaltsmüll pro Jahr. Dies ist jedoch kein Grund zum Aufgeben, sondern vielmehr zum Anzufangen.

 

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So viel zur Theorie. Um Pro und Contra zu überprüfen, hilft ein praktisches Experiment: Hierbei wird der eigene Haus- oder auch nur der Plastikmüll über vier Wochen lang gesammelt.Beim Ergebnis greifen wir an dieser Stelle vor, denn die Menge wird vermutlich negativ überraschen. Ein schlechtes Gewissen wird jedoch von niemandem verlangt; das Erkennen von Handlungsbedarf ist hier viel wichtiger.

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Für die Umsetzung dieser Erkenntnis gibt es eine weitere Überraschung – diesmal positiv: Denn obwohl der Begriff „Zero“ signalisiert, dass dieser Lifestyle ausschließlich radikal umgesetzt werden kann, existieren viele Möglichkeit für ein ab sofort müllfreie(re)s Leben.

11 Beispiele für Alltags-Best-Practice: Wie kann man mit Zero Waste anfangen?

Natürlich ist ein Null-Müll-Lebensstil das ideale Ziel der Bewegung – der Weg lässt sich jedoch in vielen kleinen Schritten gehen. Die folgenden 11 Tipps kosten kaum Aufwand, zeigen aber umso mehr Resultate:

  1. Gut geplante Einkaufslisten verhindern überflüssige Käufe
  2. Ohrstäbchen mit einem Pappstäbchen in der Mitte verwenden
  3. Im Coffeeshop oder der Bäckerei einen eigenen To-Go-Becher nachfüllen lassen
  4. Unterwegs-Snacks zum sofortigen Verzehr ohne Tüte „auf die Hand“ geben lassen
  5. Pausenbrote und -snacks in wiederverwendbaren Brotboxen mitnehmen
  6. Beim Kauf von Obst und Gemüse im Supermarkt die extra Plastiktüte weglassen
  7. An der Kasse vorab keinen Bon verlangen
  8. Jutebeutel für Spontaneinkäufe in die Tasche stecken
  9. Unvermeidbare Plastiktüten als Mülltüten nutzen
  10. Fahrkarten und Tickets digital auf das Handy buchen
  11. Werbegeschenke und Probepackungen ablehnen

Wer auf diese Kleinigkeiten achtet, bekommt schnell eine geschärfte Wahrnehmung für die Müllproduktion „nebenbei“: Der Teebeutel, der Werbe-Kugelschreiber, das Papierhandtuch, das Klebeband… wer beginnt, all dies zu sehen, dem eröffnen sich nahezu ständig neue Möglichkeiten, sich ganz einfach gegen Plastik, Abfall oder unnötigen Besitz zu entscheiden.

Fazit

Zero Waste allein kann den Planeten nicht retten – hier ist auf Seiten der Industrie und Umweltpolitik noch viel (mehr) zu leisten. Zero Waste gibt jedem Einzelnen jedoch sofort die Möglichkeit, einen Beitrag zu leisten – ob mit kleinen Änderungen oder mit einer radikalen Umstellung des ganzen Lebens. Denn wie ein Aufruf der Bewegung so treffend sagt: „Trash is a problem – be part of the solution.“

- Artikel vom MjIuMTIuMjAxNg==

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